Freiheit ist oberstes Gebot

Sinan Sert
Sinan Sert ist gegen Burka, aber für Freiheit.

In der Tat dürfen wir nicht zulassen, dass unsere Gesellschaft polarisiert und unvereinbar gespalten wird. Zudem müssen wir darauf bestehen, dass unsere Verfassung und unsere Grundrechte nicht aufgeweicht und instrumentalisiert werden. Geben wir der Forderung einer Gruppe nach, einer anderen Gruppe ihre Lebensweise aufzuzwingen, verlieren wir unsere freiheitlich demokratische Grundhaltung. Ob durch islamistische Fundamentalisten oder durch Rechtspopulisten, ist dabei unerheblich.

Das Wertvollste an unserer Gesellschaftsordnung ist die Freiheit. Unsere Verfassung, unser Grundgesetz ist die Basis dafür. Sie sichert jedem Einzelnen seine individuellen Freiheitsrechte. Dass dies auch unbedingt so bleiben soll, ist gesellschaftlicher Konsens. Die jeweilige Haltung in der Debatte um ein Burkaverbot gibt die Bereitschaft eines jeden preis, unsere freiheitlich demokratische Grundhaltung leichtfertig zu gefährden. Im Lichte unserer Verfassung ist deswegen der Ruf, eine gravierende Einschränkung der persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten und der individuellen Freiheitsrechte gesetzlich zu verankern, nicht tragbar und kaum zu ertragen. Auch wenn sie nur eine verschwindend kleine Minderheit beträfe, bedeutet sie dennoch Zwang und Willkür. Gäben wir uns dem hin, unterschieden wir uns kaum von autokratischen Oligarchien, die sich und ihre Lebensweise zum `non plus ultra´ erklärend diese allen anderen aufzwingen.

Die Forderung nach einem Burkaverbot zeugt von Ideenlosigkeit. In der Integrationspolitik bringt es uns keinen Schritt weiter. Im Gegenteil, es setzt das denkbar ungünstigste Signal und provoziert dadurch eine kontraproduktive Tendenz. Wenn hier geborene und aufgewachsene Söhne und Töchter von einstigen sogenannten Gastarbeitern sich zu ihren Wurzeln bekennen, so zeugt das mehr von Selbstbehauptung, als von Abgrenzung. In dieser Lage ist es falsch, plakativ nach einem Burkaverbot zu rufen. Zumal so gut wie keiner eine Burka trägt. Jeder soll nach seiner Facon leben dürfen. So wie sich Wasser stets seinen Weg sucht, findet auch der Freiheitsdrang eines jeden Menschen einen Weg, ausgelebt zu werden. So wie wir erkannt haben, dass begradigte einbetonierte Flussläufe der Natur entgegenwirken und sie nun zurückbauen, so sollten wir auch eingestehen, dass erzwungene Integration nicht lange Bestand haben und der gesellschaftliche Schaden größer sein wird, als der versprochene Erfolg. Wenn Politiker mit einem Burkaverbot zu reüssieren versuchen, tun sie damit unserer Gesellschaft keinen Gefallen.

Oswin Veith ist gegen das Tragen einer Burka oder eines Nikab (Wetterauer Zeitung vom 01.09.2016). Diesem Standpunkt kann ich mich persönlich sogar anschließen. So wie die meisten Muslime in Deutschland. Dass in Deutschland kaum Menschen mit Burka oder Nikab zu sehen sind, belegt dies. Anderenfalls wäre die Zahl vollverschleierter Muslima deutlich höher und entsprechend wahrnehmbar. Ein Verbot widerspräche jedoch meiner aufgeklärten humanistischen Erziehung durch Elternhaus, Schule und Gesellschaft. Der Anblick eines Kopftuches oder eines Schleiers provoziert mich nicht. Er erinnert mich, dass ich Teil eines Landes bin, in dem die Freiheit oberstes Gebot ist. Darauf bin ich stolz und möchte es auch bleiben dürfen.